Der Friedensforscher Hippler (http://jochenhippler.de/) ist wohl einer der bekanntesten Analysten der Friedensbewegung. Anders als der Titel denken lässt, führt uns das Buch zunächst durch die Geschichte der Kriege seit dem Altertum. Das Grundproblem: Wieso sind Menschen bereit, andere ihnen völlig unbekannte Menschen umzubringen? Liegt das an der von außen vermittelten „Identität“, wie Hippler an zahlreichen Beispielen zeigt?

Um dann nachzuweisen, dass es durchgehende Identitäten wie „den“ Buddhismus – angeblich friedlich, „den“ Islam – angeblich expansiv usw.  eben nicht gibt, wohl aber Interessen, die Ideologie produzieren. Diese Interessen gilt es zu analysieren in den sich technisch wandelnden Formen gewaltsamer Auseinandersetzungen. Der „Krieg zwischen Staaten“, den wir heute als „eigentlichen“ Krieg betrachten, war dabei historisch keineswegs der Normalfall. Man denke an den Dreißigjährigen Krieg mit seinen marodierenden Banden oder an die spanische Guerrilla gegen Napoleon. Insofern ist die Vermischung von innerstaatlichen (Bürgerkrieg, Aufstandsbekämpfung) und zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen keine Neuerfindung der Welt nach 1989 – hier widerspricht er deutlich dem Diktum der „neuen Kriege“ (Münkler). Neu scheint jedoch, dass die (westliche) Politik zunehmend unfähig oder unwillig ist, klare strategische Ziele zu definieren, derentwegen man Krieg führt – sei es im Irak, in Afghanistan oder in Libyen. Fast schon sarkastisch zitiert Hippler den Schwall von Erklärungen, mit denen die rot-grüne Regierung den Kriegseinsatz in Afghanistan begründete: Letztendlich aus „Solidarität mit den USA“. Das ist freilich kein Kriegsziel, dessen Erreichen man messen könnte oder aus dem man konkrete Militäraktionen ableiten könnte. Im letzten Teil des Buches analysiert er das Konzept der Schutzverantwortung (responsability to protect, R2P), das die UNO 2005 angenommen hatte. Wenn man die Schutzverantwortung, auch militärisch, ernst nimmt, müsste man allerdings klare Regeln, Grenzen und Akteure benennen. Der Libyen-Krieg wurde genau mit dieser Begründung begründet – um dann sehr schnell zur simplen Aufstandsunterstützung zu mutieren. Als „humanitäre Intervention“ wurden schon viele Kriege verkauft. Genaue Analyse zeigt andere Interessen dahinter. Trotz der Stofffülle liest sich das Buch leicht. Die anschauliche, oft ironische Sprache des Autors macht auch schlimmen Stoff erträglich.

Jochen Hippler: Krieg im 21. Jahrhundert. Militärische Gewalt, Aufstandsbekämpfung und humanitäre Intervention, Promedia Verlag , Wien 2019, 22€

Jochen Hippler: Krieg im 21. Jahrhundert