Buchcover

Wer wegen des Titels eine Einschätzung von Tibets Zukunft erwartet hat,wird enttäuscht. Der Tibetologe und Journalist Oliver Schulz (*1968) verbindet hingegen eine detaillierte Einführung in die Geschichte mit einer Schilderung der Gegenwart. „Tibet“ ist geografisch nicht einfach festzumachen: Es gibt die heutige chinesische Provinz (TAR), darüber hinaus viele Gebiete, die irgendwann zum Großreich Tibet gehört hatten – und noch mehr Länder, die unter dem Einfluß der Tibetanischen Kultur stehen, wie etwa Ladakh. Die chinesische wie die exil-tibetische Interpretation: „Tibet ist integraler Bestandteil Chinas“ oder „Tibet ist souverän und wurde 1951 widerrechtlich von China besetzt“ können sich auf geschichtliche Tatsachen stützen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig für die heutige Lage: Menschenrechtsverletzungen (Meinungs- und Religionsfreiheit, wohl auch andere)  scheinen an der Tagesordnung zu sein. Was lässt sich gesichert sagen? Der Autor untersucht und wertet Quellen, lässt dabei seine Sympathie für die tibetische Seite spüren. Forschung vor Ort ist schwierig bis unmöglich. Schulz hat selbst die Länder des tibetischen Kulturkreises über lange Jahrzehnte immer wieder bereist. Er schildert den Weg dieser Menschen in die Moderne. Sehr kritisch sieht er das westliche Tibet-Bild, das mehr von Romanen (wie Shangri-La) geprägt ist und ein Paradies vermutet, das es nie gab, sowenig wie die angeblich „immer friedliche“ Kultur, die ja durchaus zu militärischen Eroberungen beriet war. Auch der langjährige Guerrilla-Kampf 1958-1972 – die Kämpfer wurden vom CIA ausgebildet und mit Waffen versorgt – hat im romantischen Tibet-Bild keinen Platz. Der bewaffnete Kampf endete mit der US-amerikanisch-chinesischen Annäherung unter Nixon 1972, die CIA ließ die Kämpfer fallen. In der Folge wandte sich der Dalai Lama den westlichen „Protestbewegungen“, besonders der Friedens- und Umweltbewegung, zu. Teilweise mit Erfolg, wenn wir Petra Kellys Tibet-Engagement betrachten. Politisch erwies sich diese Phase aber auch als Fehlschlag. Eine Änderung ist nicht in Sicht…

Oliver Schulz: Tibets Zukunft, 2025 Westend-Verlag, 22 €

Oliver Schulz: Tibets Zukunft
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