Ernst Friedrich gründete das erste deutsche Anti-Kriegsmuseum in Berlin (nicht das erste Friedensmuseum, das gründete Jan Bloch 1902 in Luzern, hier irrt die Autorin) – ein Grund für uns, seine Biografie zu studieren. Bisher lag nur eine Autobiografie vor, mit zahlreichen „Glättungen“ und Erfindungen, wie die Autorin nachweist.

Ernst Friedrich wurde 1894 in Breslau geboren. Seine Schulbildung war bescheiden. Eine Druckerlehre bricht er ab und nimmt Schauspielunterricht, hat wohl auf der Bühne Erfolg. Ein schwedischer Pfarrer bringt ihm 1912 Tolstoi nahe und Friedrich wird fortan Pazifist bzw. Antimilitarist. Politisch entwickelt er sich wegen der Ablehnung des Krieges vom Sozialdemokraten zum Anarchisten. Dem Ersten Weltkrieg kann er sich entziehen. Wie genau, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, seine eigene Angabe, er hätte den Krieg als Verweigerer im Gefängnis verbracht, trifft wohl nicht zu. Nach dem Krieg gründet er die (anarchistische) Freie Jugend. In ihrem Umfeld startet er mehrere Zeitungsprojekte. 1924 erscheint sein Buch Krieg dem Kriege, das bis heute immer wieder aufgelegt wird, 1925 eröffnet er das Anti-Kriegsmuseum in Berlin-Mitte. Das Geld für den Kauf der Immobilie kam durch eine Spende zustande. Friedrich selbst lebt wohl im Wesentlichen von seiner Vortragstätigkeit und von Druckaufträgen. Das Museum und die damit verbundene Buchhandlung wird Treffpunkt für Jugendgruppen und anarchistische Freunde. In der Ausstellung wie in seinem Buch zeigt Friedrich den Krieg in seiner ganzen Grausamkeit: Fotos von zerfetzten Gesichtern, verstümmelten Leibern, dazu sarkastische Kommentare. Das gefällt nicht jedem: zahlreiche Prozesse sind die Folge. Friedrich wird immer wieder von Quäkern unterstützt. Über seine Verbindungen zur sonstigen (deutschen) Friedensbewegung (DFG, Deutsche Liga für Menschenrechte usw.) erfährt man leider wenig. 1933 wird Friedrich sogleich von den Nazis verhaftet, das Anti-Kriegsmuseum zerstört. Er geht ins Exil, über verschiedene Stationen landet er in Frankreich. Daneben gerät sein Familienleben aus den Fugen. Leider hat er Frauen gegenüber einen ausgesprochenen Besitzanspruch, er geht zur Polizei und zeigt seine Lebensgefährtin wegen Ehebruch an und fordert ihre Ausweisung (er selbst war zu diesem Zeitpunkt noch mit einer anderen Frau verheiratet). Nach der Besetzung Frankreichs fällt er den Nazis erneut in die Hände, kann aber fliehen. Nach dem Krieg nimmt er die französische Staatsbürgerschaft an und kauft sich ein Hausboot, auf dem die Anti-Kriegs-Ausstellung wieder aufleben soll und dann mit dem Entschädigungsgeld aus Deutschland ein Grundstück auf einer Marne-Insel, wo er die Begegnungsstätte für Jugendliche „Ile de la Paix“ gründete. 1967 stirbt er dort. An seinem 15. Todestag wurde das Anti-Kriegs-Museum von seinem Enkel neu gegründet, es befindet sich in Berlin-Wedding.

Die Autorin lehrt am Institut für Orientalistik in Erlangen. Das Buch ist im Reclam-Verlag erschienen und kostet 28 Euro.

Agnes Imhof: Ein Brennglas des Jahrhunderts – der Friedensrebell Ernst Friedrich
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