Frenkel_25271_MR.indd Wie ein Krimi liest sich die Vorgeschichte dieses Buches: In Nizza taucht es auf einem Bücherflohmarkt auf, 1945 von einem längst untergegangenen Schweizer Kleinverlag gedruckt. Den Verlag gibt es nicht mehr, die Autorin – Françoise Frenkel – kennt auch niemand mehr.  Doch der Bericht ihrer Flucht vor den Nazis ist so packend, dass „man“ recherchiert:  Ja, die Autorin, eine polnische Jüdin, hatte an der Sorbonne studiert. 1921 eröffnete sie die erste französische Buchhandlung im Berlin. In enger Zusammenarbeit mit der französischen Auslandsvertretung macht sie daraus einen kulturellen Treffpunkt. 1939, da war die Lage schon reichlich prekär, floh sie nach Frankreich. Als nach der französischen Niederlage 1940 das Vichy-Regime Jagd auf Juden machte, auch in der freien Zone Frankreichs, tauchte sie unter. Gehetzt von einem illegalen Quartier zum anderen, lernte sie Hilfsbereitschaft kennen, genauso wie Verrat, Geldgier und Niedertracht. Sie beschreibt die Kollaboration der französischen Behörden und das ambivalante Verhalten der Justiz. Beim ersten Fluchtversuch in die Schweiz landete sie im Gefängnis, auch der zweite misslingt. Erst beim dritten Mal schafft sie es mit Hilfe eines Zöllners über die Grenze. Unmittelbar danach schreibt sie ihr Buch, um Zeugnis abzulegen. Dieses verschollene Buch ist nun 2015 erneut erschienen, bei Gallimard, also „dem“ Literaturverlag. Das französische Außenministerium finanzierte die deutsche Übersetzung. Denn das Buch ist wichtig, wie der Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano in seinem Vorwort beschreibt.

Frau Frenkel war Flüchtling in Europa. Sie beschreibt, wie Schleuser Lebensretter sein können und Menschenhändler. Sie schildert den Zustand der Rechtlosigkeit, der Verzweiflung des sich Versteckens in der Illegalität, der Solidarität untereinander. So wird ihr Bericht auch zur Metapher geflüchteter Menschen schlechthin. Ein Buch, das – trotz seiner 70 Jahre – in die heutige Flüchtlingsdebatte passt. Deswegen haben wir es in unsere aktuelle Ausstellung aufgenommen. Denn sie dokumentiert heutige Flüchtlingsschicksale.

Hanser Berlin, Berlin 2016, ISBN 9783446252714, Gebunden, 288 Seiten, 22,00 EUR

Françoise Frenkel: Nichts, um sein Haupt zu betten