Am 22. Januar 2021 trat der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW*) in Kraft. Ein Jahr später wollten sich die Vertragsstaaten in Wien treffen, um offene Punkte weiter zu verhandeln: Ganz oben auf der Agenda steht z.B. eine Regelung für die Opfer der Atomwaffentests. Doch es kam anders:

Das 1MSP (First Meeting of States Parties) wurde bisher dreimal verschoben! In der 25. KW (21.-23.Juni) soll die Konferenz jetzt stattfinden, eingeleitet von einem Treffen zu den Auswirkungen von Atomwaffen auf Menschen („Humanitarian Impact“). Diese (österreichische) Veranstaltung ist neu, eine Antwort darauf, dass Atomwaffen wieder hauptsächlich technisch-militärisch diskutiert werden. Wir wollen auch im Juni dabei sein! Doch hier berichte ich von unserer Vorbereitungsreise: Als uns die Absage der Konferenz relativ kurzfristig traf, haben wir nämlich spontan entschieden, unser „Begleitprogramm“ wie geplant trotzdem durchzu-führen. Deswegen berichte ich im Folgenden von diesem Programm, als Anregung, doch mal die UNO in Wien zu besuchen – es lohnt sich!

Wien ist – neben New York, Genf, Nairobi – seit 1979 offiziell UNO-Sitz. Das UNO-Gelände ist politisch exterritorial, gehört aber der Republik Österreich und ist an die UNO vermietet für 1 Schilling im Jahr. Einige UNO-Einrichtungen befanden sich sogar schon vor 1979 in Wien: Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) seit 1957, die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) seit 1967. Dazugekommen sind: das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechens­bekämpfung (UNODC), das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (OOSA), die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (ICPDR). Weitere Organisationen wie die CTBTO haben aufgrund der Vertragslage noch einen „Vorbereitungsstatus“ (PrepCom). Über 5000 Menschen beschäftigt die UNO in Wien, die meisten davon – 2000 – die IAEA.

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Es lohnt sich, das UNO-Gelände im Google-Luftbild anzusehen: es ist riesig und hat eine sehr beeindruckende und ausgeklügelte Architektur.

Die UNO kann besucht werden: dafür ist UNIS zuständig, der „Information Service“. Mehr als einen Termin zu bekommen, d.h., mehr als einen Fachvortrag zusätzlich zur Führung, gestaltete sich sehr schwierig. Die ganzen Organisationen waren noch im „Corona-Modus“, die OSCE (keine UNO-Organisation) hatte ihr Besuchs­programm ganz eingestellt, mit der CTBTO war nur eine Digitalkonferenz möglich.

CTBTO: Organisation für einen Vertrag, der erst kommt

Der Vertrag für ein umfassendes nukleares Teststoppverbot (CTBT: Comprehensive Test Ban Treaty) ist noch nicht in Kraft. Zwar hat die überwältigende Mehrheit aller Staaten den Vertrag unterschrieben und ratifiziert, jedoch fehlen in der Liste gerade ein paar Staaten, deren Beitritt der Vertrag explizit fordert, allen voran die USA und China. Diese sogenannten „Annex-2-Staaten“ sind alle Staaten, die Nuklear­technologie – in welcher Form auch immer – besitzen. Natürlich gehört Deutschland dazu, genauso wie Österreich. Das Land betreibt zwar kein AKW, hat aber genügend atomares Know-how, um auf der Liste zu landen. Obwohl der Vertrag noch nicht in Kraft trat, entfaltet er schon Wirkung: Außer Nordkorea hat kein Staat mehr getestet. Woher wir das wissen? Die CTBTO (also die Organisation für diesen Vertrag) hat ein weltweites Netz aufgebaut von seismischen Stationen, hydroakustischen Messstationen, Radionuklid­messstationen und Infraschallmessstationen. Aus dem Zusammenspiel all dieser Messdaten ergibt sich nicht nur, ob eine explosive Kernspaltung stattgefunden hat und an welchem genauen Ort, sondern auch nähere Daten über die Art der Explosion. Die wertvollen Messdaten dienen aber auch der zivilen Prävention (z.B. Tsunami-Warnung) und der Forschung, etwa zu großen Meeressäugern. Auch wenn wir die Räume der CTBTO nicht von innen gesehen haben: Schon der digitale Vortrag von einem ihrer Wissenschaftler war hoch spannend!

IAEA: „Atoms for Peace“ und der Friedensnobelpreis

Ganz genau genommen ist IAEA gar nicht Teil der UNO, aber eng mit ihr verbunden. Außer auf dem UNO-Gelände selbst wirkt die Internationale Atomenergiebehörde noch in einem Atomforschungszentrum in Seibersdorf bei Wien. Ein Shuttle verbindet beide Standorte. IAEA begreift sich mindestens so sehr als Forschungsorganisation wie als Überwachungsbehörde. Ihr Gründungsauftrag (1957) lautet, die friedliche Nutzung der Atomenergie den Mitgliedsstaaten zugänglich zu machen. Die zivile Nutzung umfasst dabei nicht nur die unterschiedlichen Reaktortypen, zu deren Sicherheit die IAEA forscht, sondern auch Anwendungen in Medizin, Landwirtschaft und Forschung, die ständig weiterentwickelt werden. Als der NPT („Atomwaffen­sperrvertrag“) abgeschlossen wurde, bekam IAEA den Auftrag, die Vertragstreue der Nicht-Kernwaffen-Staaten zu überwachen. Zunächst bedeutete das: Jeder Nichtatomwaffenstaat muss einen Vertrag mit IAEA abschließen. Es zeigte sich bald – am Fall Irak – dass angekündigte Kontrollen an abgesprochenen Standorten unzureichend sind. Daher wurde auf Druck von IAEA ein Zusatz-Protokoll vereinbart, das unangekündigte Kontrollen erlaubt. Die meisten NPT-Vertragsstaaten haben es unter­schrieben. Warum unterwerfen sich Staaten überhaupt diesem Kontroll-Regime? Sie bekommen im Gegenzug Zugang zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen von IAEA, Hilfestellung bei der Reaktor­sicherheit usw. 2005 erhielt IAEA den Friedensnobelpreis für den „unerschrockenen Einsatz gegen die Verbreitung von Atomwaffen.“

Österreichisches Außenministerium und Vienna Center for Disarmament and Non-Proliferation (VCDNP)

Die Republik Österreich spielt eine aktive Rolle in der internationalen Abrüstungspolitik: ohne sie wäre der TPNW nicht zustande gekommen. Diese Politik funktioniert parteiübergreifend, egal, wer gerade Kanzler ist. Dabei setzt die Diplomatie bewusst auf die Zivilgesellschaft – und hat uns deshalb auch eingeladen, zu einem spannenden Dialog. Das VCDNP ist eine NGO, die vom Außenministerium gegründet wurde! Sie bildet auch aus: Ein Newsletter-Abo lohnt sich, es werden viele Digitalformate angeboten!

Österreichische Friedensbewegung

Der Besuch beim Versöhnungsbund und bei ICAN Austria half uns, vieles einzuordnen. Großen Respekt, wie viel die wenigen Menschen dort auf die Beine stellen! Wir kommen wieder!

* ich verwende hier immer die englischen Abkürzungen, also TPNW statt AVV, IAEA statt IAEO usw.

Erste Jugenddelegation bei der UNO in Wien