nonpaper
Wie kommen Abstimmungen in der UNO zustande, fragen wir uns oft. Warum z.B. stimmt die Bundesrepublik gegen die Abschaffung von Atomwaffen, obwohl ihre PolitikerInnen das Gegenteil behaupten? Einen Hinweis haben wir hier: Ein Dokument, mit dem die USA im Vorfeld der Abstimmung* auf das Verhalten der Verbündeten Einfluss genommen haben.
Dieses NATO-Dokument vom 17. Oktober ist als „unclassified“ eingestuft, also nicht vertraulich.

Es enthält eine Empfehlung der US-Delegation an die Verbündeten (Anrede: „Dear Allies“= liebe Verbündete) zum Verhalten bei der Abstimmung. Die betreffenden Staaten werden ermutigt, mit NEIN abzustimmen. Man könnte sich fragen, warum diese Staaten nicht selbst entscheiden können, was sie als richtig befinden. Aber es ist vielleicht zu befürchten, dass diese eigenständige Fähigkeit mit der NATO-Mitgliedschaft relativiert wurde.
Falls die Vollversammlung trotzdem den Beschluss für die Aufnahme von Verhandlungen (zur Abschaffung von Atomwaffen) fasst, dann werden Verbündete und Partner gebeten, nicht daran teilzunehmen, also die von der Mehrheit der Staaten dieser Welt gewünschten Verhandlungen schlichtweg zu boykottieren. Auch das scheint ein demokratisch nicht wirklich korrektes Verhalten!

Im 2. Anhang des US-Dokuments unter dem Titel: „Defense Impacts of Potential United Nations General Assembly Nuclear Weapons Ban Treaty“ werden die konkreten militärischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Elemente eines zukünftigen Atomwaffen-Verbots-Vertrags aufgelistet. Diese Liste ist erstaunlich vollständig, sie enthält alles, was sich friedensbewegte Atomwaffengegner seit langem wünschen. Nämlich (hier eine Auswahl):
– Verbot des Einsatzes oder der Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen
– Verbot von Entwicklung, Test, Produktion, Lagerung, Transport von Atomwaffen wie auch von waffenfähigem Nuklearmaterial
– Verbot der Teilnahme an Nuklearkriegsplanungen und entsprechenden Übungen
– Verbot der Ausbildung von Personal darin, Nuklearwaffen anderer Staaten zu übernehmen und einzusetzen
– Verbot von Nuklearwaffen auf dem Territorium des jeweiligen Staates, ebenso von Schiffen in Häfen und Territorialgewässern, sowie von Flugzeugen im Luftraum
– das Recht und die Verpflichtung, nationale Gesetze zu erlassen, die die verbotenen Aktivitäten kriminalisieren und Schutz für Personen bieten, die solche Aktivitäten bekannt machen.

Diese Liste macht offenkundig, wie sehr die USA eine solche Resolution, letztlich ein derartiges Atomwaffenverbot fürchten. Deshalb macht es Sinn, sich für diese Verhandlungen, für das Ziel eines völkerrechtlichen Atomwaffenverbots einzusetzen.
Und das hat eine gute Chance: beim Kampf für die Überwindung der Atomkriegsgefahr haben wir die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten auf unserer Seite. Staaten, die trotz jahrelanger Brüskierung durch die USA, möglicherweise auch trotz verdeckter Drohungen oder Lock-Angebote, im eigenen Interesse und damit zugleich im Interesse einer atomwaffenfreien Welt abgestimmt haben!

*: Die Abstimmung: Am 27. Oktober hat das 1. Komitee der UN-Vollversammlung über den Vorschlag abgestimmt, 2017 mit Verhandlungen über ein völkerrechtliches Atomwaffenverbot zu beginnen. Dieser Vorschlag war das Ergebnis der OEWG (=open-ended working group), einer Arbeitsgruppe, die die UNO ein Jahr zuvor eingerichtet hatte.
Im Rahmen der UNO-Vollversammlung stimmte deren 1. Komitee (zuständig für Sicherheit und Abrüstung) diesem Antrag mit großer Mehrheit zu (123 Staaten). Es gab 16 Enthaltungen, dagegen stimmten 38 Staaten, darunter die USA mit den anderen NATO-Staaten incl. Deutschland. Die Mehrheit der Staaten will also die Aufnahme von Verhandlungen über ein völkerrechtliches Atomwaffenverbot schon 2017!

„Demokratie“ in der UNO-Vollversammlung