Viele Jahre wurde der 11. November von der Friedensbewegung in den alliierten Ländern als Armistice Day begangen, als Tag des Waffenstillstands. Denn US-Präsident Wilson hatte erklärt, dies sei „der Krieg, um alle Kriege zu beenden“. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Tag als Veterans Day entpolitisiert.
Auch Alfred H. Fried spürt die Bedeutung dieses Tages:
Bern, 12. November
Heute nacht ist der letzte Schuß gefallen. Der Weltkrieg ist in Wirklichkeit beendet. Mit ihm hoffentlich das kriegerische Zeitalter des Militarismus. Gestern ist der Waffenstillstand abgeschlossen worden. Heute nacht um 11 Uhr wurden die Feindseligkeiten eingestellt. Daß sich dieses ewig denkwürdige Ereignis gerade an meinem Geburtstag vollzog, war mir ein freudiges Erlebnis.
Der Krieg ist vorbei. Nun heißt es, den Frieden errichten und dann darangehen, den Schutt zu beseitigen. Die Ereignisse in ihrer Fülle und umwälzenden Bedeutung sind überwältigend. Deutschland entwickelt sich in rasendem Tempo zur Republik. Wilhelm II, der mächtige Soldatenkaiser des machtvollen deutschen Reiches, ist in Zivilkleidern – nach Holland geflüchtet. Dort soll er interniert werden. Tragisches Schicksal eines Weltzerstörers. Noch lange nicht so traurig wie das der blutenden, hungrigen Völker. In Sachsen, Württemberg, Oldenburg ist die Republik erklärt worden, wurden die Dynastien abgesetzt. Nur Baden und Mecklenburg fehlen noch von den größeren deutschen Staaten. Sie werden folgen, und mit den kleinen Fürstlichkeiten und Familienherrschaften wird man wohl nicht langen Prozeß machen. (…)
Auf dem Berliner Schloß weht die rote Fahne. Karl Liebknecht, der Zuchthäusler der Autokratie, durfte sie hissen. (…)
Wir ahnten es doch nicht, daß der Militarismus, daß Wilhelm II eigentlich die Geburtshelfer des neuen Deutschland wurden. Sie haben durch ihren Druck das Neue gezeugt, ihr Wirken waren die Gebärkrämpfe der neuen Zeit. Ungefähr im Februar 1915 schrieb ich es hier, daß dieser Krieg nur eine Episode der Weltrevolution sein dürfte. Eine Zuspitzung der Krise, die ein halbes Jahrhundert früher angefangen hat, und die wohl wieder ein halbes Jahrhundert brauchen wird, um abzuflauen. Wir sind die armseligen Zeitgenossen dieser Übergangsperiode. Glückliche Menschen, die einst die neue Zeit erleben werden, deren Gebären im Sturm und Blitz wir durchmachen, deren Kommen wir sehen, deren Gestaltung wir ahnen.